Die Buntpapiermacherin Susanne Krause aus Hamburg übergibt die Fertigung an Dirk Lange in Gorsleben und schreibt dazu ihre Gedanken auf.
„Zum Jahresende 2021 habe ich nach sorgfältiger Vorbereitung die Kleisterpapier-Fertigung an Dirk Lange übergeben, der vor einigen Jahren die Sprenkelpapiere und Rieselpapiere von mir übernommen hat. Buntpapiermacherei war jahrelang mein zweites berufliches Bein neben meiner Arbeit in einer Buch-Restaurierungswerkstatt und wurde erst 1997 zum Vollerwerb, folgerichtig mit Spezialisierung / Schwerpunkt auf Rekonstruktionen und Papiere für Restaurierung und Bestandserhaltung bzw. Bestandspflege.
Eine gelungene Rekonstruktion oder ein auf den Punkt getroffener Farbton machen glücklich; Handwerk und Kreativität treffen hier mit Restaurierung zusammen. Ein gelungenes Tagewerk in der handwerklichen Buntpapier-Werkstatt besteht aus Bogen erster Qualität, die weder „eineiige Mehrlinge“ sind noch eine mustertechnische Eigendynamik entwickelt haben. Wiederholbarkeit und Serienfertigung sind seit Jahrhunderten der Kern dieses schönen Handwerks; ich habe mich immer als Handwerkerin gesehen, nie als Künstlerin.
Gelegentlich war das Glück des Gelingens reine Nervensache: wenn nichts nach Wunsch lief und ich den Grund dafür nicht ermitteln konnte, wenn ich das Papier für den erklärten Zweck ungeeignet fand, wenn ich den Zeitbedarf falsch eingeschätzt hatte. Oder wenn ich ein Muster oder einen Farbton nicht durchschaute und mich tagelang damit plagte, oft mit Erfolg und manchmal ohne. Dickköpfigkeit ist hierbei ein sehr nützlicher Charakterzug.
Es ist mir bis heute nicht gelungen, Papierfabriken zu verstehen. Das Angebot von technisch geeigneten Trägerpapieren in Archivqualität wird seit Jahren magerer. Ich habe mehrfach in den letzten gut 30 Jahren ein neues Vielzweck- bzw. Basis-Trägerpapier erst finden und dann lernen müssen, weil das alte plötzlich nicht mehr hergestellt wurde oder unter gleicher Bezeichnung völlig verändert bei mir ankam. Die betreffende Fabrik behauptete jedesmal, nichts geändert zu haben, wo denken Sie hin, Frau Krause!? Professionelle handwerkliche Buntpapiermacherei mit ihren hohen, speziellen Anforderungen an alle Materialien ist ein seltenes Handwerk und kommt im Universum von Papierfabriken nicht vor. Der Untergang von Zerkall (Papierfabrik in Hürtgenwald/Nordrhein-Westfalen, d.Red.) ist auch für die handwerkliche Buntpapiermacherei tragisch.
Ebenso unverständlich blieb der Verkauf der Papiere. Warum nur wurden im Lauf der Jahrzehnte von jedem einzelnen Katalogpapier mal 10 Bogen im Jahr gekauft und mal hunderte? Buntpapier-Moden sind seit Jahrhunderten zu beobachten, aber hektische Schwankungen irritieren.
Es gab Kunden, gute Kunden, Stammkunden, Eintagsfliegen, Lieblingskunden, schrullige Kunden, Nervensägen; Brot-Aufträge mit ihrer ganz speziellen Dynamik, spannende Aufträge, schwierige Aufträge, langweilige Aufträge und die ganz besonderen Aufträge, für die ich ein Werkzeug oder eine Arbeitstechnik erfinden musste.
All dies findet jetzt in der Werkstatt von Dirk Lange statt; ohne ihn hätte ich im übertragenen Sinn schlicht die Tür abgeschlossen. So aber konnte ich meine Rezepturen und Werkzeuge in ein gutes, neues Zuhause geben und sehe das in unserer Zeit der vergeblichen Nachfolge-Suche als ein Geschenk. „Meine“ Papiere sprechen nun die Sprache von Dirk Lange, der neue Akzente setzen wird. Das ist der Lauf der Buntpapierwelt, auch dadurch blieb das Handwerk bis heute am Leben.“
Susanne Krause
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