Ganz im Zeichen des Wandels der Branche stand die Jahrestagung des Bundes Deutscher Buchbinder (BDBI) im Oktober 2021.
Erstmalig seit dem Jahr 2019 konnte das Jahrestreffen wieder als Präsenz-Veranstaltung organisiert werden. Ungefähr 30 Unternehmer und Angehörige waren bei dem Event anwesend, das in den Räumlichkeiten eines Fördermitglieds, in einem Fachgroßhandelshaus in Würzburg stattfand. Während der Mitgliederversammlung wurden aktuelle, drängende Probleme der Buchbinder-Branche diskutiert.
Während der Vorstandswahlen wurde ein Beweis für die Erneuerung der Führungsspitze des Fachverbandes erbracht: BDBI-Vorsitzender bleibt Maik Beckmann, dessen Stellvertreter wird Werner Obermeier, im Vorstand bleibt ebenso Holger Warnecke. Christine Merkel-Köppchen, Inhaberin der Buchwerkstatt Rheinhessen in Gau-Odernheim, und Elke Schnee, Leiterin der Buchbinderei am ZBW-Standort Kiel, sind neue Vorstandsmitglieder. Feierlich verabschiedet wurden die langjährigen Vorstandsmitglieder Hans-Dieter Jung, der jetzt Ehrenmitglied ist, und Hartmut Köhler; beide haben den Vorstand auf eigenen Wunsch verlassen. Darüber hinaus wurden zwei weitere Protagonisten für ihre langjährigen Verdienste im Buchbinder-Handwerk geehrt: Diesmal wurden Erwin Bachmeier, einstiger Fachlehrer im BSZ München, der zudem Träger des Bundesverdienstkreuzes der BRD ist, die „Goldene Ehrennadel“ des BDBI sowie Marcus Janssens, Restaurator am Stadtarchiv Neuss, die „Silberne Ehrennadel“ des BDBI verliehen.
Reputation als „Kulturerbe“
Einer besonderen gesellschaftlichen Reputation kommt ein Beschluss in diesem Jahr gleich: Das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Deutschland weist jetzt auch das Buchbinden aus. Dazu gibt es ein urheberrechtlich geschütztes Logo, dessen Nutzung für kommerzielle Zwecke ausgeschlossen ist und nur nach ausdrücklicher Autorisierung durch die deutsche Unesco-Kommission erfolgen darf. Gleichwohl ist die Nutzung nur im Rahmen der BDBI-Mitgliedschaft erlaubt – Nicht-Mitglieder dürfen dieses Logo grundsätzlich nur mit Zustimmung des BDBI verwenden. Indessen können BDBI-Mitgliedsbetriebe ein Werbeschild mit Begriffszusatz „Meisterbetrieb“ oder „Fachbetrieb“ bestellen und auf diese Weise für das Buchbinder-Handwerk werben. Sofern es darüber hinaus gehende Anfragen zur Nutzung des Logos z.B. im Internet und in der Öffentlichkeit gibt, steht der BDBI für Informationen bereit.
Akquisition von Nachwuchs
Derzeit eines der größten Probleme in der Buchbinder-Branche ist die Rekrutierung von geeignetem beruflichem Nachwuchs, sagte BDBI-Vorstandsmitglied Hans-Dieter Jung. Aufgrund weiterhin rückläufiger Zahlen von Auszubildenden – die Zahl der „Azubis“ über alle drei Ausbildungsjahre hinweg liegt in Deutschland derzeit bei weniger als 70! – habe die Ausbildung im Handwerksberuf höchste Priorität. Parallel muss die Zahl der Standorte von Berufsschulen konzentriert werden, um auch langfristig ein hohes Ausbildungsniveau gewährleisten zu können. Nachdem die Kultusministerkonferenz auf einen BDBI-Antrag bisher einen negativen Bescheid erteilt hat, versucht der Fachverband nunmehr, gemeinsam mit Gremien wie dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und dem Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) dieses Ziel zu erreichen. Zunächst ist dem BDBI aber auch sehr daran gelegen, überhaupt Interesse für das Handwerk zu erzeugen: Deshalb soll die Werbung für beruflichen Nachwuchs mit der Produktion von Videofilmen und der gezielten Verbreitung in Social Media unterstützt werden.
Erfahrung mit Zeitarbeit
Eine Alternative zur vorübergehenden Behebung von Personalengpässen können auch Zeitarbeitskräfte sein. Stephanie Bittzer und Amir Garbacz, Vertreter des Unternehmens Unique, das als Teil der RGF Staffing/Recruit-Gruppe in der Arbeitnehmerüberlassung und Personalvermittlung tätig ist, gaben Antworten auf viele Anfragen. Werner Obermeier, Inhaber der gleichnamigen Buchbinderei in Rottenburg, hat seit 2012 positive Erfahrungen mit Unique gemacht: „Die Unique-Arbeitnehmer weisen eine schnelle Auffassungsgabe und geringste Fehlerquoten auf – sie haben oft einen hohen Erfahrungs-Hintergrund bei unterschiedlichen Tätigkeiten“, berichtete Werner Obermeier stolz. Das könne man sehr gut im Unternehmen nutzen und reduziere die Einarbeitung stark.
Ausbildung und Fortbildung
Derweil hat die Corona-Pandemie aufgrund zeitweiser Umstellung von Berufsschul-Präsenz- auf Distanzunterricht Spuren in der Ausbildung und Fortbildung hinterlassen. Workshops zum Thema „Sewn Board Binding featuring Shibori“ für interessierte Auszubildende des Buchbinder-Handwerks aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen erneut im März 2022 in Münster auf der Agenda. Weitere Lehrgänge der Meisterqualifizierung zur Thematik „Bucheinband-Technik nach Jean de Gonet“ sind im Oktober 2022 vorgesehen. Ebenso engagiert sich der Fachverband für die Wiedereinführung der Meisterpflicht als Bedingung zur Führung eines Betriebes, um in dieser Relation langfristig deutlichere Wertschätzung der Professionalität des Buchbinder-Handwerks zu erwirken.
Frank Baier